Bericht Grabfelder

Zivilisationskrankheiten bereits im Mittelalter

Enkering (EK) Für Archäologen und Geschichtsforscher ist die Gegend um Kinding ein Paradies, wie sich jetzt wieder zeigte. Bei Enkering wurde ein ausgedehntes Gräberfeld aus dem frühen Mittelalter entdeckt, dem nach Ansicht des Landesamtes für Denkmalpflege überregionale Bedeutung zukommt.

Bild: Die Grabbeigaben, hier Kurz- und Langschwert sowie einige mit außerordentlich großem handwerklichen Geschick gefertigte Gegenstände, lassen auf sozial hochgestellte Personen schließen, die hier beerdigt wurden. Viele Dinge wurden wohl im mediterranen Raum hergestellt. Denn der ausgedehnte Friedhof, von dem bislang 111 Gräber geöffnet wurden, weitere zehn bekannt sind und noch etwa 50 vermutet werden, fordert die Fachleute in vielerlei Hinsicht heraus. Die Beigaben sind außerordentlich reich und von hoher Qualität, der Friedhof beherbergt überdurchschnittlich viele Kindergräber, und die Archäologen können sogar etwas zum Aussehen der einzelnen Gräber sagen. Seit Juni gräbt die Ingolstädter Firma Kant in Zusammenarbeit mit der Firma Phoinix aus Pöcking. Die Gemeinde Kinding will eine Ortsverbindungsstraße zwischen Enkering und Berletzhausen über ein bestimmtes Gelände führen, und in diesem fundintensiven Gebiet waren archäologische Voruntersuchungen unabdingbar. Schon nach der Abtragung der obersten Schicht wurden die ersten Grabstellen sichtbar, doch das Ausmaß verblüffte die Experten dann doch. Immer neue Gebeine traten zutage. Zudem war dieser Begräbnisplatz zuvor völlig unbekannt. Seit etwa 1996 kennt man zwar einen Friedhof aus der späten Merowingerzeit, der etwa einen halben Kilometer von diesem neu entdeckten Friedhof entfernt liegt. Beide haben aber nichts miteinander zu tun. Der jetzt ausgegrabene dürfte Mitte des 6. Jahrhunderts angelegt worden sein, schätzt Dr. Jochen Haberstroh vom Landesamt für Denkmalpflege. Belegt wurde er etwa 200 Jahre lang.
"Das ist ein klassischer Ortsfriedhof", erklärte Haberstroh gestern bei einer Pressekonferenz. "Nur, wir kennen den Ort dazu noch nicht." Über die Bewohner lässt sich dagegen einiges sagen. Zwar fanden sich auch Skelette von älteren Menschen, aber die meisten seien relativ früh, zwischen 20 und 35 Jahren, gestorben, sagte Silvia Wiedmann, Archäologin und Geschäftsführerin von Kant. Die Menschen damals wurden von ähnlichen Krankheiten geplagt wie die heutigen. Sie hatten starke Karies, Paradentose, Entzündungen im Kieferraum, Degenerierungen der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfälle, und auch zwei Fälle von Rachitis diagnostizierten die hauseigenen Anthropologen. Zu den Todesursachen lässt sich kaum etwas sagen, doch Fälle von Gewalteinwirkung konnten die Fachleute nicht entdecken.
Außergewöhnlich sind die zahlreichen Kindergräber. In der Fachliteratur wird in der Regel davon ausgegangen, dass jüngere Kinder kein eigenes Grab bekamen. Hier jedoch entfallen bislang 22 Prozent der Gräber auf Kinder unter sechs Jahren.
Die Grabbeigaben sind sehr reichhaltig, obwohl zahlreiche Gräber "gestört" sind, wie die Archäologen sagen, wenn sie Grabraub nicht im Detail nachweisen können. Drei Langschwerter, Spatha genannt, wurden bislang ans Tageslicht gefördert. Sie weisen dem Träger einen hohen sozialen Rang zu. Ferner gibt es 26 Kurzschwerter, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen und Schildbuckel. Großen Wert legten die Männer auf schön verzierte Gürtelschnallen, während die Gürtelschnallen der Frauen eher einfach gestaltet waren. Dafür verfügten die Damen über wunderbare Glasperlen, Ohrringe, Fibeln und sogar golddurchwirkte Gewänder. Manche Gegenstände ordnet das Landesamt dem mediterranen Raum zu. Von großem Wert sind auch zwei reich verzierte Kämme und ein Bronzegefäß, das in einem buchstäblich herausragenden Grab gefunden wurden. Hier wurde ein sozial privilegierter Mann zur letzten Ruhe gebettet, der mit einer Körpergröße von 1,80 Meter die meisten Zeitgenossen überragt haben dürfte. Er bekam einen Grabhügel, der von Steinen umfasst war. Viele weitere Gräber waren von einem kleinen Graben oder von Steinen umfasst. Es gab auch "überdachte" Gräber. Jedenfalls fanden die Archäologen entsprechende Eckpfostenlöcher. Außerdem wurde an Fuß- oder Kopfende mitunter ein Stein gesetzt. Damit dürfte dieser Friedhof heutigen Gottesäckern nicht ganz unähnlich gewesen sein.
Von Josef Bartenschlager

Statistik

Einwohnerzahl Enkerings
577

Höhenlage
380 Meter ü. NN

Höhenlage Schellenberg
495 Meter ü. NN

Höhenlage Schlossberg
510 Meter ü. NN

Postleitzahl:
85125

Telefonvorwahl:
08467

Haushalte:
222

Gemeinde:
Markt Kinding

Fläche der Gemeinde:
51,72 km2

Einwohner der Gemeinde
2.739

Landkreis:
Eichstätt

Fläche Landkreis Eichstätt:
1.214,45 km2

Einwohner des Landkreises
122.466

Regierungsbezirk Oberbayern
Sitz München

Bundesland:
Bayern

Fläche Bundesland
70.549 km2

Einwohner des Bundeslandes

12.387.351

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